Stimmen aus der Praxis
Eine Zukunftsvision: saubere und zuverlässige Energie für geflüchtete Menschen!
Zugang zu sauberer und zuverlässiger Energie würde die Situation von vertriebenen Menschen in Lagern, informellen Siedlungen aber auch in urbanen Gebieten auf allen Ebenen des Lebens wesentlich verbessern. Wir sind besonders von der Kraft gemeinschaftlicher Energieprojekte überzeugt, welche die langfristige Fähigkeit der Betroffenen fördern, sich selbst zu versorgen und in lokale wirtschaftliche, soziale und politische Strukturen zu integrieren.

Autor: Tim Britton, Hudara

Zugang für alle bis 2030

Wir haben gerade unser neues Projekt in Partnerschaft mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) begonnen. Zentrales Ziel ist es, bis 2030 alle vertriebenen Menschen und die umliegenden lokalen Gemeinschaften mit erschwinglicher, zuverlässiger und nachhaltiger Energie zu versorgen. Dies ist eine sehr wichtige und anspruchsvolle Vision, denn von den weltweit mehr als 80 Millionen Vertriebenen (UNHCR, 2021a) hat die große Mehrheit noch immer keinen Zugang zu grundlegenden Energieressourcen (UNHCR, 2019). Die Bedingungen in der Vertreibung sind schwierig, und Energie ist für die Menschen entscheidend, um ihr Essen zu kochen und ihre Wohnräume zu kühlen, zu heizen oder zu beleuchten. Es gibt eine Reihe von Bereichen, die von ihrer Verfügbarkeit abhängen, wie der Betrieb von medizinischen Zentren, Schulen, Gemeinschaftseinrichtungen und humanitären Büros. Energie ist ein wesentliches Element beim Übergang von einer humanitären Notlage zu einer Entwicklungssituation, um mittel- bis langfristig planen zu können, und beeinflusst die Erreichung von 74 Prozent der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) (IRENA, 2019; Bank, 2017).

 

Status quo der Energieverfügbarkeit

Im Krisenfall konzentriert sich die Nothilfe für vertriebene Menschen auf Wasser, Nahrungsmittel, sanitäre Einrichtungen und Unterkünfte. Es gibt keine etablierte Strategie für die systematische Entwicklung der Energieinfrastruktur in Übergangssiedlungen. Infolgedessen ist diese entweder gar nicht vorhanden oder schlecht konzipiert. Laut UNHCR (2021a) berichtet die Mehrheit der Flüchtlingshaushalte in verschiedenen Aufnahmeländern wie Südsudan (63 Prozent) und Burkina Faso (60 Prozent), dass sie regelmäßig Mahlzeiten ausfallen lassen, weil es ihnen an Brennstoff zum Kochen fehlt. Auch die geringe Verfügbarkeit von Strom ist alarmierend. So haben beispielsweise 97 Prozent der in Lagern lebenden Vertriebenen nur sehr begrenzten oder gar keinen Zugang zu Strom (UNHCR, 2019). Dies sind Momentaufnahmen der unzureichenden Bereitstellung von Energieressourcen im Vertreibungskontext, deren Ausmaß aufgrund der langsamen Fortschritte bei der Erhebung von Daten über den Zugang zu humanitärer Energie weitgehend unbekannt bleibt (Bisaga & Rosenberg-Jansen, 2020).

 

Umdenken in der Energieversorgung

Es besteht offensichtlich ein sehr dringender Bedarf an Veränderung. Es werden neue Primärdaten benötigt, um den derzeitigen Zugang zu Energie, die standortspezifischen Ressourcen und Schwierigkeiten sowie die Bedürfnisse besser zu verstehen. Deshalb haben wir gemeinsam mit UNHCR begonnen, eine umfassende Informationsbasis zu erarbeiten, die die Entwicklung integrierter Strategien ermöglicht, um den Zugang zu Energie zu gewährleisten, aber auch Selbstbestimmung und Resilienz zu fördern. Lokal angepasste und gemeinschaftsbasierte Energieprojekte, die auf erneuerbare Quellen setzen, sind vielversprechende Bausteine (IRENA, 2018). Sie zeichnen sich durch ein unterschiedliches Maß an Beteiligung der Gemeinschaft an der Entscheidungsfindung, der Umsetzung und der Aufteilung der Erträge aus (IRENA, 2018). Die Versorgung durch Gemeinschaftsprojekte verspricht langfristig nachhaltig zu sein und verbessert die Fähigkeit der Beteiligten, sich selbst zu versorgen und in die lokalen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Strukturen zu integrieren.

Bei Hudara sehen wir die betroffenen Menschen und die Gemeinschaft, in der sie leben, als Kern eines jeden Projekts. Das bedeutet für uns, dass wir von der Seite der Betroffenen denken und in einem gemeinschaftlichen Prozess langfristige Strategien entwickeln. Wir sind davon überzeugt, dass die kontextuelle Vielfalt der Vertreibungsgebiete, die Komplexität der Energiebedürfnisse der Vertriebenen sowie die Möglichkeiten und Vorteile einer aktiven Einbindung der Menschen in Projekte einen bottom-up Ansatz erfordern.

 

Referenzen

Bank, W. (2017). State of Electricity Access Report.

Bisaga, I., Rosenberg-Jansen, S. (2020). GPA Workshops in July 2020: Data and Indicators for Global and Project Humanitarian Energy Needs, GPA and UNITAR, Geneva Switzerland.

IRENA. (2018). Community energy: Broadening the ownership of renewables.

IRENA. (2019). Renewables for refugee settlements: Sustainable energy access in humanitarian situations, International Renewable Energy Agency, Abu Dhabi.

Läderach, P., Ramirez-Villegas, J., Caroli, G., Sadoff, C., & Pacillo, G. (2021).  Climate finance and peace—tackling the climate and humanitarian crisis. The Lancet Planetary Health, 5(12), e856-e858.

UNHCR. (2019). Global strategy for sustainable energy: A UNHCR strategy 2019-2025.

UNHCR. (2021a). Mid year trends 2021.

UNHCR. (2021b). Integrated Refugee and Forcibly Displaced Energy Information System.